Der Sieg über die Sonne II - Die gegenstandslose Welt

 

 

 

Produktion von Novoflot

 

Akademie der Künste

12. - 20. Oktober 2013 / Premiere 12.10.2013

nach der futuristischen Oper von Kasimir Malewitsch

 

Glaubt man dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik, kommt man unweigerlich zum wissenschaftlich kaum widerlegbaren Schluss, dass die Kraft, die ein ungestümes Kollektiv russischer Futuristen vor genau hundert Jahren an den Tag legte, noch irgendwo vorhanden sein muss. Als sich im Sommer 1913 der Komponist Michail Matjuschin, der Dichter Alexej Krutschonych und der Maler Kasimir Malewitsch zum größenwahnsinnigen Gipfeltreffen der ersten «Regierung des Erdballs» versammeln, produziert ihr jugendlicher Überschwang nicht nur ein energetisches Hoch, sondern auch ein Kunstwerk, das alles will: die Abschaffung der alten Welt, die Revolution der Kunst, die Aufhebung der Schwerkraft und die Geburt eines neuen Menschen. 

Ihre erste und einzige futuristische Oper «Der Sieg über die Sonne» erzählt das Märchen von der Gefangennahme der Sonne durch unsterbliche Kraftmenschen und dem Anbruch einer neuen dunklen Zeit. Ein wild gewordener Bausatz seltsamer Figuren formiert sich dafür vor Malewitschs revolutionärem Schwarzem Quadrat zur überbordenden Parade. Damit gerät die Premiere in St. Petersburg zum Skandal. Aber er weist auch weit in die Zukunft: Die vertonte Klimakatastrophe avant la lettre war das Manifest einer Avantgarde, die nicht wusste, dass die Kräfte, die sie 1913 noch im Übermaß besaß, hundert Jahre später dringend gebraucht würden. 

 

Die Oper überlebt nur als Fragment. Im Herbst 2013, punktgenau zum 100-jährigen Jubiläum der Uraufführung, nehmen NOVOFLOT und vier junge Komponisten nun das überlieferte Material zur Grundlage für einen Systemneustart. Auf den Bühnen von vier Kulturinstitutionen der Stadt zeigen sie eine Woche lang fünf verschiedenene Inszenierungen, darunter Trainingslager, Hirnbesichtigungen, Sternwarten und Parlamente der Zukunft. Der Zuschauer hat die freie Wahl, er kann eine Inszenierung sehen oder alle, drei in 24 Stunden oder vier an fünf Tagen, zwei mehrmals oder eine nur zur Hälfte. Die Oper „Der Sieg über die Sonne“ war und ist kein zusammenhängendes Werk. Sondern künstlerischer Ausdruck einer unbeherrschbaren Vielheit von Erwartungen, Notwendigkeiten und Aufbrüchen. Eine mehrteilige, aus alten und gegenwärtigen Klängen, Sprachen und Bildern geformte Ansage in angemessener Lautsärke.

  

Kompositionen - Moritz Gagern, Klaus Lang, Aleksandra Gryka

Regie - Sven Holm

Musikalische Leitung - Vicente Larrañaga

Raum - Elisa Limberg

Kostüme - Anke Gänz & Elisa Limberg

Dramaturgie - Malte Ubenauf

Dramaturgische Mitarbeit - Fadrina Arpagaus

Video - Karo Serafin

Licht - Jörg Bittner

Ton - Georg Morawietz

Produktionsleitung - Dörte Wolter

 

Mit 

Maxime Barbasetti, Henriette Bothe, Jiwon Choi, Renate Jett, Merja Mäkelä, Simon Robinson, Liz Schmidt, Johanna Skirecki, Renate Sörensen, Ernst Surberg, Melih Tepretmez, Katharina Thomas, Yuka Yanagihara, Ronald Bird, Henriette Bothe, Christine Dietrich, Elke-Luise Ebertz-Kruse, Ulrike Fruhtrunk-Dehn, Brigitte Göres, Heidrun Haase, Sigrid Haase, Sigrid Herzog, Helmut Heydenreich, Antonia Korn, Martin Michaelis-Seidler, Liz Schmidt, Johanna Skirecki, Renate Sörensen, Helmi Südmersen, Karin Tzschätzsch, Jutta Wehnelt, Dieter Wieck, Monika Zimmering

sowie Patrik Baboumian, Raphael Clamer (Video)

 

Ensemble Mosaik 

Bettina Junge (Flöte), Simon Strasser (Oboe), Christian Vogel (Klarinette), Jürgen Grözinger, Roland Neffe (Percussion), Chatschatur Kanajan (Harmonium)

Ensemble Apparat 

Nathan Plante (Trompete), Matthew Conley (Trompete), Fabian Schmidt (Posaune), Max Murray (Tuba)

Klavier 

Mihail Gerts

 

Der Tagesspiegel Ulrich Amling, 13.10.2013

"(...) Wer an Station II auf Mittel gegen das leichte Schwindelgefühl hofft, bekommt zu spüren, warum Schwerelosigkeit dem Menschen fremd bleiben muss. „Die gegenstandslose Welt“ herrscht in einer Ausstellungshalle unterm Dach der Akademie der Künste. Zunächst wird unter Harmoniumklängen die Abschaffung des Dogmas der Persönlichkeit gefordert. Dann pustet das Orchester gestaltlose Klänge in den Raum, während Senioren sich mühen, die entleerte Welt wieder einzurichten – mit Laternen, Gießkannen, Schallplatten. Vergeblich, die Abstraktion siegt in diesem leicht fahrigen Tranceerlebnis. (...)"